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Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

Als sich Superpunk im Jahr 2012 trennten, war ich als jemand, der auf vielen ihrer Konzerte zugegen war, erst einmal betrübt. Der letzte Auftritt in Berlin fand im alten Festsaal Kreuzberg statt, der leider kurz danach abbrannte. Als dann bekannt wurde, dass Carsten Friedrichs und Tim Jürgens mit der Liga der gewöhnlichen Gentlemen eine Nachfolgeband gegründet haben, die stilistisch anknüpft, drehte die Welt sich weiter. Zum zehnjährigen Jubiläum war die Band nun in Berlin. Es war der Nachholtermin für die ursprünglich am 30.12.2021 geplante Veranstaltung.

Als Vorgruppe waren die wiedervereinigten „Bärchen und die Milchbubis“ dabei. Wer sie nicht kennt: Es handelt sich dabei um eine 1979 gegründete Punk-/NDW-/Popgruppe, deren Songs „Jung kaputt spart Altersheime“ und „Tiefseefisch“ einer größeren Öffentlichkeit bekannt sein könnten. Ihr einziges Album „Dann macht es Bumm“ (Eine Anspielung auf das unfreiwillig komische Lied des Fußballers Gerd Müller von 1969.) veröffentliche die Gruppe 1981 auf dem Label „No Fun Records“, welches von Hans-A-Plast-Gitarrist Jens Meyer und dem Journalisten Hollow Skai gegründet wurde. Welch ein Programm!

Da ich 1981 sechs Jahre alt war, begeisterte mich die Möglichkeit, die erwähnte Stücke einmal live erleben zu können. Aus der Frühbesetzung sind noch Sängerin Annette Grotkasten und Bassist Kai Nungesser dabei. Am Schlagzeug der inzwischen zum Trio geschrumpften Band sitzt Markus Joseph (Ehemals Rotzkotz.). Ein wunderbares Erlebnis, welches lange im Gedächtnis bleiben wird. Zu einem Anfall spontaner Freude führte zudem die Coverversion „DNS“, von den 39 Clocks, einer schon lange nicht mehr existierenden Hannoveraner Gruppe, die bis heute in Japan eine große Zahl an Fans hat. Bärchen und die Milchbubis interpretierten das Stück bereits 1981 neu.

Eine eine aktuelle Einspielung befindet sich auf der Ende 2021 erschienenen Zusammenstellung „Endlich komplett betrunken“ des Labels Tapete Records, dessen Mitgründer Gunther Buskies (Der andere Gründer war Jeremy Days-Sänger Dirk Darmstädter, der 2013 ausstieg.) bei der Liga der gewöhnlichen Gentlemen als Keyboarder wirkt. Damit ist der Bogen zum Headliner des Abends geschlagen. Es fühlt sich so an, als habe sich die Gruppe erst kürzlich gegründet, denn die Euphorie über das, was man tut, welche bei vielen Bands irgendwann in Routine umschlägt, ist noch deutlich zu spüren.

Dem Anspruch, sechs Alben in einen Auftritt zu integrieren ist allein schon deshalb schwer gerecht zu werden, weil jeder andere persönliche Favoriten hat. Zu meinen gehört „Es ist nett, nett zu sein“, der direkt in der Anfangsphase gespielt wurde. Voran ging eine Diskussion zwischen Carsten Friedrichs, zu dessen Lieblingssongs er laut eigener Aussage ebenfalls gehört und Tim Jürgens darüber, ob er gut sei, oder nicht. Man muss dabei gewesen sein. Das Konzert war ein herrlicher Parforceritt durch eine Dekade Bandgeschichte. Die oben als Anspruch formulierte Aufgabe wurde mit Bravour gemeistert. Auf mindestens weitere zehn Jahre!

Dieser Text erschien am 02.08.2022 bei “The Clubmap”.