Kategorie: Kultur

  • Rankin:“Der unglaubliche Boom beim Zugang zur Fotografie ist vielleicht die größte Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren.“

    Rankin:“Der unglaubliche Boom beim Zugang zur Fotografie ist vielleicht die größte Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren.“

    Seit dem 23.02.2022 zeigt die Berliner Galerie „Camera Work“ auf ihrer Website eine virtuelle Ausstellung des britischen Fotografen Rankin. Einige der Werke sind weltweit zum ersten Mal zu sehen. Hintergrund der Schau ist die Tatsache, dass beim Fotografen zu Beginn der Pandemie durch die abrupt veränderten Verhältnisse ein ihn inspirierendes Umdenken einsetzte. Er begann, Blumen auf besondere Weise in Szene zu setzen. Er, der sonst von einem großen Team unterstützt wird, führte bei diesem Projekt alle Arbeitsschritte selbst aus. Ergänzt wird die Ausstellung durch ältere Bilder, auf denen die Verbindung von Mensch und Blume eine zentrale Rolle spielt.

    Meine Verbindung zu Rankin besteht bereits seit den 90er Jahren durch das von ihm 1991 mitgegründete „Dazed & Confused“ Magazin, welches heute nur noch „Dazed“ heißt. Natürlich sagte mir sein Name damals nichts, aber das Heft, dessen Konzept neu war, begeisterte mich. Aufgrund der Tatsache, dass er nicht nur Models, wie Kate Moss, sondern auch einige meiner Lieblingsmusiker fotografierte, begegnete er mir im Laufe der Jahre immer wieder. Eine weiterer Link ist die Sendung „Germany’s Next Topmodel“, der ich seit der ersten Staffel treu bin. Als Rankin 2009 dort erstmals mitwirkte, horchte ich bei der Nennung seines Namens auf. Eine kurze Recherche bestätigte die Vermutung, dass es sich um „den“ Rankin handelte. So schloß sich der Kreis.

    Nun ergab sich die Gelegenheit, ihm einige Fragen zu stellen.

    © Rankin / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

    Laut eigener Aussagen hat Sie die Zeit der Isolation während des Lockdowns der Natur näher gebracht und die Resultate sind beeindruckend. Warum trafen Sie die Entscheidung, die aktuellen Bilder im Studio aufzunehmen und nicht in der Natur?

    Während des Lockdowns verbrachte ich viel Zeit draußen und auf Spaziergängen mit meinen Hunden. Das gab mir Raum zum Erkunden und half mir, mich mit mir selbst im Reinen zu fühlen. Während dieser Zeit habe ich draußen fotografiert. Für meine beiden wichtigsten Lockdownprojekte „Embrace“ und „An Exploding World“ wollte ich jedoch einen Weg finden, die Natur in meinem eigenen Porträtstil zu betrachten.

    Ich brachte diese unglaublichen Blumen mit und fotografierte sie vor einem schlichten Hintergrund, sodass sie im Mittelpunkt jedes Bildes standen. Die Kontrolle, die eine Studioeinstellung bietet, beispielsweise das Entfernen von Änderungen der Windrichtung, gab mir mehr Spielraum, um die Blumen wirklich im Detail und aus mehreren Winkeln ohne Beeinträchtigungen aufzunehmen. Aber ich habe immer noch natürliches Licht verwendet, das meiner Meinung nach jedem Stück Authentizität und Natürlichkeit verleiht.

    Über Ihr besonderes Verhältnis zur Pusteblume haben Sie einmal gesagt “Seit Jahren bin ich besessen von der Perfektion einer Pusteblume. Löwenzahn gilt als Unkraut und wächst überall, vor allem in der Stadt. Und in einer Zeit, in der ich viel Stress hatte, spendete er mir Trost. Zumal ich als Kind die Idee, die Samen wegzupusten, mit einem Wunsch verband.“ Wie ist Ihre enge Beziehung zu Blumen und Pflanzen entstanden?

    Ich denke, dass Blumen und die Natur ein Thema sind, zu dem jeder Künstler eine Beziehung hat, tatsächlich ist jeder Mensch in gewisser Weise von der Natur beeinflusst. Sei es durch Landschaften, wilde Tiere oder einen Blumenstrauß, den einem ein geliebter Mensch schenkt. Die Natur durchdringt unsere gesamte Umgebung und das hat mich wirklich angezogen. Löwenzahn zum Beispiel erwacht auf dem Land, aber auch in der Stadt zum Leben. Er ist klein und empfindlich, kann sich aber gleichzeitig gegen die härtesten Widerstände durchsetzen. Diese Dualität der Blume inspiriert mich wirklich.

    © Rankin / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

    Wie kamen Sie auf die Idee, Menschen auf diese besondere Art mit Blumen in Verbindung zu bringen?

    Blumen kommen in vielen meiner Arbeiten vor, sie sind vielseitig einsetzbar. In der Kunstgeschichte können sie alles bedeuten, von Schönheit und Weiblichkeit bis hin zu Sexualität, Macht, Liebe oder Verfall. Ihre Lebendigkeit kann zu erstaunlicher kreativen Ergebnissen führen und wenn sie welken, kann sich ihre Bedeutung zu einem Blick auf den Übergang vom Leben in den Tod wandeln. Das sind Themen, die ich gerne in meinen Porträts behandle, deshalb sind Blumen und florale Muster in meinen Arbeiten so präsent.

    Sie arbeiten bereits sehr lange auf Ihrem Gebiet. Welche Entwicklungen und Veränderungen würden Sie als positiv und welche als negativ bewerten?

    Der unglaubliche Boom beim Zugang zur Fotografie ist vielleicht die größte Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren. Jeder hat jetzt jederzeit eine Kamera in der Tasche! Aber für mich ist es ein zweischneidiges Schwert. Ich liebe diese Demokratisierung, dass jeder Zugriff hat. Das damit einhergehende Filtern und Bearbeiten des eigenen Erscheinungsbilds durch Apps, vermittelt allerdings ungesunde Körperideale in einem Ausmaß, das noch vor fünf Jahren nicht vorstellbar war. Es ist kein Wunder, dass Depressionen bei jungen Menschen zunehmen. Was mich begeistert, ist die Verwendung von 3D-Technologie. Die Möglichkeit, in 3D zu fotografieren und zu drucken, ermöglicht es mir, Porträts und Fotografie auf völlig neue Art und Weise weiterzuentwickeln.

    © Rankin / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

    Sie wirken seit 2009 bei der Sendung „Germany’s next Topmodel“ mit. Was finden Sie so reizvoll am Format, dass Sie immer noch dabei sind?

    Ich komme aus dem gleichen Grund immer wieder zu „Germany’s next Topmodel“ zurück, aus dem das Publikum die Sendung gerne sieht. Ich liebe es, die Persönlichkeiten der Menschen zu sehen und neue Talente zu entdecken, aber ich liebe auch Heidi (Klum). Sie war ein sehr wichtiger Teil meiner Karriere, weil wir Freunde sind und es wirklich genießen, zusammenzuarbeiten.

    Was halten Sie vom neuen Diversity-Konzept der Sendung, das zum Beispiel beinhaltet, dass klassische Modelmaße keine Teilnahmevoraussetzung mehr sind?

    Ich bin weder an der Produktion noch am Konzept von „Germany’s next Topmodel“ beteiligt, deshalb möchte ich mich dazu nicht äußern. Wenn Sie meine Karriere verfolgt haben wissen Sie aber auch, dass ich immer ein Verfechter von echten Körpern und realistischen Schönheitsstandards war. Von meinen Editorial-Shootings bis hin zu kommerziellen Arbeiten bin ich wirklich stolz auf die unterschiedlichen Hintergründe und Körpertypen, die ich fotografiert und beworben habe.

    © Rankin / Courtesy of CAMERA WORK Gallery

    Dieser Artikel erschien am 07.03.2020 bei „The Clubmap“

  • Perlentaucher

    Perlentaucher

    Eben wies mich jemand darauf hin, dass ich beim „Perlentaucher“ erwähnt wurde. Das freut mich sehr, denn die Seite gehört seit vielen Jahren zu meinen absoluten Favoriten.

  • Florian Schneider-Esleben

    Florian Schneider-Esleben

    Der Mitbegründer von Kraftwerk ist tot. Die Bedeutung dieses Satzes geht weit über seine Länge hinaus. Zu beschreiben, was dieser Mann alles an Entwicklungen angestoßen hat, ist in einem Artikel nicht in den Griff zu bekommen. Ganze Bücher wurden darüber verfasst. Die Liste an Musikern, die ihn bzw. Kraftwerk als ihre Vorbilder angeben, ist endlos lang.

    Geboren 1947 als Sohn des seinerseits sehr bekannten Architekten der Nachkriegsmoderne Paul Schneider-Esleben, wuchs er in gutsituierten Verhältnissen auf und konnte sich seiner Leidenschaft, der Musik, widmen. So lernte er Geige, Gitarre und Querflöte zu spielen. Letztere studierte er zehn Jahre lang an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf.

    Im Jahr 1968 gründete er zusammen mit Ralf Hütter die Band „Organisation“. 1970 wurde neben der Eröffnung des Kling-Klang Studios auch Kraftwerk gegründet. Waren die ersten drei Alben noch verhältnismäßig traditionell geprägt, wurde 1974 mit dem Album „Autobahn“ die Wende zum Elektropop vollzogen. 1975 stieß Karl Bartos dazu und komplettierte die klassische Besetzung. Der Rest ist Geschichte. Seit 2008 trat er nicht mehr mit Kraftwerk auf, im Jahr 2009 gab er seinen Austritt öffentlich bekannt. 2014 erhielt er den Grammy für sein Lebenswerk.

    Bezeichnend für Schneider-Eslebens Bedeutung ist auch, dass eine Anfrage von David Bowie zur Zusammenarbeit einfach unbeantwortet blieb und Bowie ihm trotzdem das Stück „V-2 Schneider“ widmete.

    Zu “Autobahn” bin ich schon als Kind durch mein Zimmer getanzt. Kraftwerk waren ursächlich für mein Interesse an intelligenter elektronischer Musik. Aber nicht nur dafür. Auch ihr Stil, ihr ausgeprägter Sinn für Ästhetik und der Drang zur ständigen Weiterentwicklung haben mich geprägt.

    Am Mittwoch gab Ralf Hütter bekannt, dass Florian Schneider-Esleben bereits am 30.April im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer kurzen Krebserkrankung gestorben ist. Ohne ihn würde es elektronische Musikstile in den heute bekannten Formen nicht geben.

    Ruhe in Frieden.

    Foto: Daniele Dalledonne

    Dieser Artikel erschien am 07.05.2020 bei „The Clubmap“.

  • DIIV

    DIIV

    Meine Reise zu DIIV begann mit den Dum Dum Girls. Auf diese stieß ich 2008 im Rahmen der Konzeption meiner damaligen Radiosendung. Sie sprachen mich gleich an, weil sie alles vereinten, was ich mag: Hallige, lärmige Jangle-Gitarren, gute Melodien und insgesamt viele Referenzen auf Lieblingsbands. Über die Dum Dum Girls war der Weg dann nicht mehr weit zu den Beach Fossils, die ebenfalls Stammgäste in der Sendung wurden. Ein wichtiges Bandmitglied war damals noch Zachary Cole Smith, der schließlich 2011 DIIV gründete.

    Diese Band bringt bringt alles zusammen, was die vorher Erwähnten bereits richtig gemacht haben. Leider hatte ich es bisher nicht geschafft, sie live zu sehen. Das Konzert im Festsaal Kreuzberg war bereits lange ausverkauft, was unter Anderem daran gelegen haben mag, dass es die erste Tournee der Band nach der krankheitsbedingten Pause war.

    Die Vorgruppe Chastity, genau wie DIIV auf dem Label Captured Tracks zuhause, bot mit sperrigen Songs, die teilweise im Hardcorebereich angesiedelt waren, Schwerverdauliches zum Einstieg. Das Publikum war trotzdem begeistert. Mir fiel auf, dass der Sänger bei den Schrei-Teilen wie Zack de la Rocha von Rage Against The Machine klang.

    Als DIIV dann für ihren ersten Berlinauftritt seit sechs Jahren die Bühne betraten, wurden sie mit frenetischem Jubel empfangen und freuten sich sichtlich darüber. Gesprochen wurde insgesamt eher wenig, die Musik stand im Vordergrund. Nur hinter mir wurde lautstark und so angeregt wie kenntnislos über Details des Equipments diskutiert. Glücklicherweise übertönte die Musik dieses Fachgespräch und wie erhofft bestand das Programm aus einer schönen Reise durch die nun bereits zehn Jahre und drei Alben (von denen mir das Erste und das Aktuelle am Besten gefallen) währende Karriere der Band. Inklusive aller meiner Favoriten.

    Für die Zugaben wurde dann noch einmal zugelegt und „a couple of old songs“ bildeten einen guten Abschluss für diesen Auftritt, welcher so gut abgemischt war, wie man es nicht oft erlebt. Zum Ende des Konzerts stellte ich mich weiter nach hinten und auch dort war die Akustik hervorragend. Auch ein paar zaghafte Crowdsurfingversuche waren zu verzeichnen. Was ebenfalls positiv auffiel: Es wurde erfreulich wenig gefilmt und fotografiert.

    Vor der Halle lernte ich ein britisches Geschwisterpaar kennen, welches mich zu einem zuviel bestellten Getränk einlud. Wir waren uns nicht nur einig, dass man gitarrenmäßig viel My Bloody Valentine und die Smashing Pumpkins herausgehört hatte, sondern auch, dass es ein richtig guter Abend war.

    Dieser Artikel erschien am 10.03.2020 bei „The Clubmap“.

  • Andrew Weatherall

    Andrew Weatherall

    Gestern hat die Musikwelt mit Andrew Weatherall einen wichtigen Kopf verloren. Wie sein Management mitteilte, war die Todesursache eine Lungenembolie. Sechsundfünfzig ist echt zu früh.

    Die Nachricht löste genreübergreifend einen Schock aus. Von Tim Burgess (The Charlatans) über Gilles Peterson (Ehemals Acid Jazz/Talkin‘ Loud, jetzt Brownswood/Worldwide FM), James Lavelle (Ehemals Mo‘ Wax, jetzt UNKLE), die Happy Mondays und Irvine Welsh (Schriftsteller), bekundeten zahlreiche Persönlichkeiten ihre Trauer. Genreübergreifend ist auch das Stichwort. Weatherall war ein früher Brückenbauer zwischen Elektronik und Gitarre.

    Ende der 80er Jahre gründete er das Fanzine „Boy’s Own“ und arbeitete als DJ an der wachsenden Popularität von Acid House mit, bevor er sich selbst ins Studio begab. Seine erste Produktion war 1990 die Zusammenarbeit mit dem nicht minder legendären Paul Oakenfold für den Happy Mondays „Halleluja“-Remix. Damit leistete er einen der wichtigsten Beiträge zum Madchester-Hype. In diesem Zusammenhang wurde auch ich dieses Namens zum ersten Mal gewahr.

    In ebendiesem Jahr schien die Stimmung gut zu sein, denn mit dem Remix des My Bloody Valentine-Songs „Soon“ kreierte er gleich einen weiteren Klassiker, der nicht nur meiner Meinung nach sogar besser ist als das Original. Auf der Liste „The 50 Best Remixes Ever“ des NME belegte er den ersten Platz.

    Ein Jahr später ging es mit der Produktion des „Screamadelica“-Albums von Primal Scream gleich weiter. Durch diese Zusammenarbeit wurde er einem größeren Publikum bekannt und es eröffneten sich weitere Möglichkeiten. Auch die Neubearbeitung von Saint Etiennes Neil Young Coverversion „Only Love Can Break Your Heart“ wurde den Ohren der Welt präsentiert und trug das Ihre dazu bei.

    Später folgten unter Anderem Kooperationen mit New Order, den Chemical Brothers, Björk, den Stereo MCs und The Orb. Sein eigenes Label gründete Andrew Weatherall im Jahr 2001 und veröffentlichte dort mehrere Alben. Mehrere seiner Stücke wurden für Werbespots verwendet und er gründete mit Sabres If Paradise und Two Lone Swordsmen zwei hochrelevante Projekte.

    Für mich persönlich war er besonders wichtig, weil sein Wirken gleich mehrere von mir präferierte Stile berührte. Leider kam ich nie in den Genuss, ihn live zu erleben. Mach’s gut, Andrew!

    Foto: Alex Zalewska / Quelle

    Dieser Artikel erschien am 18.02.2020 bei „The Clubmap“.

  • Strom – Festival für elektronische Musik

    Strom – Festival für elektronische Musik

    Wenn ich eine Liste meiner wichtigsten Alben der 90er Jahre erstellen müsste, würde sie die Platten von Kruder & Dorfmeister enthalten. Sie gehören fest zu meinem persönlichen Soundtrack dieses Jahrzehnts. Zum Auftritt anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Duos im April 2019 passte es leider zeitlich nicht. Deshalb sorgte die Nachricht, dass Kruder & Dorfmeister im Rahmen des Strom-Festivals in der Philharmonie auftreten, für große Freude.

    Die Räumlichkeiten der Philharmonie waren mir vorher nur in Zusammenhang mit klassischer Musik bekannt, weshalb ich sehr gespannt war, wie Elektronisches dort funktioneren würde. Da sich meine Vorliebe für diese Art der Musik sehr selektiv auf ganz bestimmte Genres beschränkt, sagten mir die restlichen Künstler, nur teilweise etwas. Ich stellte mich also auf drei Vorgruppen für Kruder & Dorfmeister ein. Ein peinlicher Irrtum, wie ich im Nachhinein offen zugebe.

    Schon beim Betreten der ausverkauften Philharmonie merkte ich, dass hier gleichzeitig nichts und alles zusammenpasste. Don’t DJ sorgte im Foyer bereits für entspannte Klänge, als ich der Gardeobendame meine Jacke aushändigte. Hinter ihm begleitende Visuals von Marco C. Während die Laune immer besser wurde und der Körper mitzuwippen begann, wurde mir langsam bewusst, dass ich mich geirrt hatte, aber auch, dass es ein Abend voller skurriler Kontraste werden würde.

    Als nächster stand Stefan Goldmann, der Kurator des Festivals, im großen Saal auf dem Programm. kaum hatte ich es an der Platzanweiserin in Uniform vorbeigeschafft und den Raum, dessen Architektur mich jedes Mal aufs Neue beeindruckt, betreten und meinen Platz eingenommen hatte, ging es auch schon los. Goldmann lieferte eine beeindruckende Mischung aus getragenen Ambientklängen und visueller Untermalung von Javier Benjamin, die perfekt harmonierte. Ich war beeindruckt.

    Anschließend wurde im Foyer die Geschwindigkeit von Voiski merklich erhöht, was dramaturgisch sehr gut passte. Die Tanzfläche füllte sich und man konnte kaum glauben, dass es noch so früh war. Zum Ende hin wurde es sogar acidlastig, was ich als Fan der MC-303 sehr begrüßte. Leider erlebte ich Vieles nur aus der Distanz, weil ich einen nicht unerheblichen Teil des Sets in der Schlange für Getränke anstand. Das hätte man besser lösen können. Aber auch dort war es nicht uninteressant. Kellner in weissen Hemden versuchten, dem Ansturm einer Gruppe von Menschen Herr zu werden, die sich sonst wohl nur selten in die Räume verirrt, in denen sonst die ehrwürdigen Berliner Philharmoniker empfangen.

    Dann war es soweit: Kruder & Dorfmeister, wegen denen ich primär an diesem Abend gekommen war, begannen im Saal ihren Auftritt. Nahezu unsichtbar hinter den Laptops, im Hintergrund eine riesige Leinwand. Da stimmte wirklich alles: Die Sounds zusammen mit Animationen, bei denen ich nicht glaube, schon häufig ähnlich Gute gesehen zu haben, bildeten eine kraftvolle Einheit, welche niemanden kalt liess. Dass die beiden Profis sind, merkte man deutlich. Sie beherrschten das Spiel mit dem Spannungsbogen perfekt und routiniert. Meine Befürchtung, die Sitzplätze könnten das Vergnügen trüben, verflüchtigten sich schnell, denn irgendwann standen immer mehr Leute auf, gingen nach vorne und tanzten. Daran wurden sie auch von den Uniformierten nicht gehindert. Kulturwandel für einen Abend? Auch ich stand irgendwann in der Menge begeisterter Menschen und liess mich von der Stimmung treiben. Dass es zwischendurch recht technoid anmutete, tat der Sache keinen Abbruch. Ein unglaubliches Erlebnis in einer einzigartigen Umgebung und mit Abstand der Höhepunkt des Abends.

    Danach konnte es keine Steigerung mehr geben, weshalb ich mich dazu entschloss, den Heimweg anzutreten. Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist. Insgesamt war es eine liebevoll konzipierte Veranstaltung mit hervorragenden Künstlern, von der ich mir eine Fortsetzung wünschen würde.

    Foto: Stephan Rabold

    Dieser Artikel erschien am 10.02.2020 bei „The Clubmap“.