Autor: Marcel Peithmann

Tempelhof Sounds

Im Jahr 2001 erschien mit „This It“ das hervorragende Debütalbum von The Strokes, welches gleichzeitig ein Startschuß war. Ich hatte mit der Platte damals beruflich zu tun und empfand sie als erfrischende Mischung aus The Sonics und The Velvet Underground. In der folgenden Zeit purzelte eine ähnliche Band nach der anderen in mein Bewusstsein und es formte sich die Gewissheit, es hier mit einem neuen Trend zu tun zu haben. Diese Gruppen klangen alle relativ gleich und ähnelten sich auch optisch. Mir fiel es immer schwer, sie auseinanderzuhalten, nur wenige blieben im Gedächtnis. Einige dafür umso nachhaltiger. Dazu gehörten neben den Strokes auch die Libertines, die ich besonders deshalb mochte, weil sie – im Gegensatz zur Mehrheit dieser Bands – eher von Punk als von Rock beeinflusst waren. Unvergessen auch lange, rauschhafte Nächte voller Freude darüber, dass nach Britpop Gitarrenmusik endlich wieder eine größere Öffentlichkeit erreichte. Vor und hinter DJ-Pulten feierte man ausgelassen auch das Nachrücken einer neuen Generation von Enthusiasten. Eine schöne, wenngleich kurze Phase. Als ich las, dass sowohl die Strokes als auch …

Lola Marsh

Wegen COVID-19 wurde das Konzert von Lola Marsh in Berlin mehrmals verschoben, nun war es endlich soweit. Sechs Jahre ist es bereits her, dass ich die 2013 gegründete Band aus Tel Aviv bei einem fast intimen Showcase einer Plattenfirma zum ersten Mal sah. Seitdem hat sie eine beachtliche Karriere hingelegt und ist schon lange nicht mehr der Geheimtipp, als den ich sie kennengelernt habe. Gut so. Der Abend im ausverkauften Heimathafen Neukölln begann mit dem Support Kayma. Die beiden sympathischen Herren mit Akustikgitarren und mehrstimmigen Gesang lösten Gedanken an die Everly Brothers oder Simon & Garfunkel aus. Später blitzen assoziativ noch die Beatles in ihrer besten Zeit auf. Musikalisch trotzdem eigenständig. Die Vorbilder waren dezent eingearbeitet. Lola Marsh wurden mit frenetischem Jubel empfangen. Man merkte, dass die Menschen lange auf diesen Abend gewartet hatten. Die Gruppe wirkte nicht so, als hätte sie bereits 15 Konzerte hinter sich und war vom ersten Moment an in ihrem Element. Dargeboten wurde eine Mischung aus Hits wie „Wishing Girl“ und neueren Stücken, die keinen Deut schwächer waren. Das ist …

Rankin:“Der unglaubliche Boom beim Zugang zur Fotografie ist vielleicht die größte Entwicklung in diesem Bereich in den letzten Jahren.“

Seit dem 23.02.2022 zeigt die Berliner Galerie „Camera Work“ auf ihrer Website eine virtuelle Ausstellung des britischen Fotografen Rankin. Einige der Werke sind weltweit zum ersten Mal zu sehen. Hintergrund der Schau ist die Tatsache, dass beim Fotografen zu Beginn der Pandemie durch die abrupt veränderten Verhältnisse ein ihn inspirierendes Umdenken einsetzte. Er begann, Blumen auf besondere Weise in Szene zu setzen. Er, der sonst von einem großen Team unterstützt wird, führte bei diesem Projekt alle Arbeitsschritte selbst aus. Ergänzt wird die Ausstellung durch ältere Bilder, auf denen die Verbindung von Mensch und Blume eine zentrale Rolle spielt. Meine Verbindung zu Rankin besteht bereits seit den 90er Jahren durch das von ihm 1991 mitgegründete „Dazed & Confused“ Magazin, welches heute nur noch „Dazed“ heißt. Natürlich sagte mir sein Name damals nichts, aber das Heft, dessen Konzept neu war, begeisterte mich. Aufgrund der Tatsache, dass er nicht nur Models, wie Kate Moss, sondern auch einige meiner Lieblingsmusiker fotografierte, begegnete er mir im Laufe der Jahre immer wieder. Eine weiterer Link ist die Sendung „Germany’s Next Topmodel“, …

Perlentaucher

Eben wies mich jemand darauf hin, dass ich beim „Perlentaucher“ erwähnt wurde. Das freut mich sehr, denn die Seite gehört seit vielen Jahren zu meinen absoluten Favoriten.

Das Ende der Unschuldsvermutung

Kürzlich sah sich der deutsche Comedian Luke Mockridge mit der öffentlichen Behauptung seitens einer Ex-Partnerin konfrontiert, er habe sich während der Beziehung ihr gegenüber körperlich übergriffig verhalten. Erwartbar wäre als Reaktion die Anregung gewesen, den Vorwürfen nachzugehen, auch wenn der gegenüber dem Sender Sat.1 geäußerte Wunsch, dieser möge mögliche Straftaten aufklären, eine völlige Unkenntnis des Rechtssystems belegt. In den sozialen Medien wurden allerdings Stimmen laut, sein Arbeitgeber solle ihn umgehend entlassen. Mit #KonsequenzenfuerLuke entstand ein eigenes Hashtag, mit dem der Sender massiv unter Druck gesetzt wurde. Das Online-Scherbengericht hatte sein Urteil gefällt. Der Sender reagierte mit einer Stellungnahme, in der es hieß, es gebe „aus guten Gründen“ kein Verfahren gegen den Künstler und man hielte es für eine moderne Form der Lynchjustiz, jemanden aufgrund von Gerüchten an den Pranger zu stellen. Das sei nicht mit dem eigenen Rechtsverständnis vereinbar. Diese Worte überraschten in ihrer Deutlichkeit. Im aktuellen Klima reichen oftmals bloße Behauptungen, damit eine Institution einknickt. Auch die „Spiegel“-Kolumnistin Margarete Stokowski beschäftigte sich in einem Beitrag unter anderem mit diesem Fall: „Wer erklärt, dass eine …

Schon von „BPoC“ gehört?

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Entwicklungen und Debatten, die in den sozialen Medien entstehen, ihren Weg in die Gesellschaft finden. Es wurde ebenso offenbar, dass bisher vor allem Populisten, Radikale und Extremisten diese Plattform für sich zu nutzen verstehen. Ihr Erfolg ist auch dadurch zu erklären, dass moderate Diskutanten vom destruktiven Diskussionsstil abgestoßen sind und sich zurückziehen. So bleibt vieles nicht nur unwidersprochen, sondern auch unbemerkt. In letzter Zeit liest man häufiger, nun sei es langsam genug mit der Berichterstattung über Identitätspolitik. Dabei wird verkannt, dass diese Debatte gerade erst beginnt. In den letzten Jahren konnte sich in Teilen der öffentlich-rechtlichen Medien, der Universitäten und der Nichtregierungsorganisationen eine intellektuelle Subkultur etablieren, die die Errungenschaften der Aufklärung und auch gesellschaftliche Übereinkünfte durch Gruppendenken zu ersetzen versucht. Das Grundgesetz sowie staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, die für jeden gelten, werden immer häufiger infrage gestellt. Forderungen nach einer besonderen Behandlung auf Basis der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe werden mit wachsender Aggressivität gestellt. Weitgehend ohne Wissen der Öffentlichkeit wurden intransparente Strukturen geschaffen, die nicht selten staatlich finanziert …